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Psalmengesang

Last updated on März 31st, 2021

Music notes, Image courtesy of Graphics Mouse at FreeDigitalPhotos.netPsalmen. Ihre Ursprünge gehen Jahrtausende zurück in der Geschichte der jüdischen, ägyptischen, christlichen Gemeinschaften. Liturgisch haben die alten Lieder über all diese Zeit jedoch nichts an ihrer Kraft eingebüßt – so haben auch wir, liebe Gemeinde, in den Gottesdiensten der vergangenen vier Monate dieser Tradition gehuldigt und Psalmodien in unsere Kirche einziehen lassen.

Im europäischen Raum gibt es im einstimmigen Psalmengesang eine Kontinuität über 2000 Jahre. Meist handelt es sich hier um ein Modell von acht bzw. neun Psalmtönen; im 15. Jahrhundert entwickeln sich auf Grundlage der traditionellen Psalmtöne mehrstimmige Sätze für die Rezitation der Psalmen, häufig von zwei Chören im Wechsel gesungen (Faburden-, Fauxbourdon- Falsibordoni-Stil).
Um 1500 entsteht die Gattung der Psalmmotette, eine Form der kunstvollen polyphonen Vertonung von Psalmtexten, als deren große Meister Josquin Desprez (ca. 1440-1521) und Orlando di Lasso (1532-1594) gelten. Im Zuge der Reformation wird besonderer Wert auf die Beteiligung der gesamten Gemeinde am Psalmengesang gelegt – Luther verfasst eine Reihe von Psalmliedern (z.B. „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“, Psalm 130); Calvin führt das einstimmige oder vierstimmig homophone Singen aller 150 Psalmen in Liedform ein (Genfer Psalter). Als erster anglikanischer Erzbischof befürwortet Cranmer in seiner Liturgie das einstimmige Singen der Psalmen durch die Gemeinde oder – im schlichten Stil des sog. anglican chant – eines Chores.
Ausgehend von Italien und der nun aufkommenden konzertanten Musik werden seit Ende des 16. Jahrhunderts auch obligate Instrumente wie ein basso continuo in die Musik der Psalmen mit einbezogen (z.B. Monteverdi, Schütz). Eine neue Stufe der Psalmvertonung wird in den nächsten Dekaden mit der sog. Grand motet für grand und petit choeur und Orchester am Hof des Sonnenkönigs in Frankreich erreicht (z.B. Lully, Charpentier) – in dieser Form erobern Psalmen den Konzertsaal! Vergleichbar damit ist die in Italien geborene Form der Psalmkantate, bei dem Verse auf Arien-, Chor- und Ensemblesätze verteilt werden (z.B. Händel, Mozart).
Gleichermaßen Komponist großer Werke für den Konzertsaal (z.B. „Die fünf Psalmen für Soli, Chor und Orchester“) als auch von Psalmmotetten für a capella Chöre und schlichten vierstimmigen Sätzen für den Gemeindegesang ist Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847), der damit auch Teil der Liturgie- und Kirchenmusikreform unter dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. war.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schließlich wird der Unterschied zwischen liturgischer und konzertanter Musik immer größer – die Motetten etwa von Johannes Brahms (1833-1897) würden inzwischen den gottesdienstlichen Rahmen sprengen. Nach einer Entwicklung hin zu Instrumentalwerken über Psalmen (z.B. Reubke, Schönberg) vertont Arvo Pärt (*1935) kurz vor der Jahrtausendwende und 160 Jahre nach F. Mendelssohn Bartholdy die Psalmen 42 und 43 neu: „Como cierva sedienta“ – „Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser“.

Das Singen der Psalmen erfolgt auf der Grundlage verschiedener melodischer Modelle (Psalmtöne). Ihren Ursprung nimmt die sog. Psalmodie in der antiken jüdischen Musik; später entwickelte sich darauf aufbauend der Gregorianische Choral.
Ein besonderer Schwerpunkt der Psalmodie liegt auf der Rezitation der Verse sowie der Sprachmelodie; Psalmodien werden überlicherweise syllabisch notiert. Der Rezitationston wird dabei Tenor genannt, den Wechsel des Tons (häufig gekennzeichnet durch / über der Note) bezeichnet man als Flexa, Beugung; vor der Zensur (gekennzeichnet durch *) endet der Vers zumeist auf einem sog. Mediatio, einer Mittelkadenz, auch Pausa genannt. Abgeschlossen wird die Versrezitation mit dem Terminatio, der Schlusswendung, einem erneuten Tonwechsel.

Für das Psalmensingen im Chor entwickelte sich ab dem 8. Jahrhundert eine besondere, wechselchörige Form, bei der zu Beginn und zum Ende des Psalms gemeinsam ein Antiphon gesungen wird, die Verse jedoch abwechselnd von der Vorsängergruppe und den Betenden rezitiert werden.

Ich möchte mich an dieser Stelle jedoch noch ganz herzlich bei Ihnen bedanken, dass Sie dem Singen der Psalmen in den Sonntagsgottesdiensten der letzten Monate mit einer so großen Offenheit begegnet sind!

Ihre Alena Mathis

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